Goddess Aurora

Kein Licht am Ende des Tunnels

Wir hatten alles detailliert abgesprochen. Es war noch nicht lange her, dass Du deinem Interessen für BDSM erstmalig nachgegangen warst. Ein paar Sessions hattest Du bereits erlebt. Und da war diese Phantasie, die Dich schon von Beginn an begleitet hatte. Sie ließ Dich nicht los und verursachte in Dir ein Gefühlschaos aus Begierde und Angst, Neugierde und Scham. Egal wie intensiv deine ersten Sessions auch wurden, was Du Neues über Dich und deine Grenzen gelernt hattest – diese eine Sache zog sich, einem erotischen Kernthema gleich, durch alle deine Träume und Phantasien.Dein Wunsch war es, etwas zu erleben, das buchstäblich unter die Haut geht. Messerscharf, gewaltig, stechend. Ein Tropfen Blut, vielleicht sogar zwei.
Nach unserer letzten Begegnung hattest Du dich mir anvertraut. Du hättest Phantasien, wie etwas in dich eindringt, dir unter die Haut gleitet. Nadeln und Skalpelle, Messer und Rasierklingen waren ewige Gäste in deinen intimsten erotischen Phantasien.
Wir hatten ausgiebig über alles gesprochen und bereits einen Termin verabredet. Ob Du bereit warst? Die Frage fiel Dir schwer zu beantworten. Aber da war dieses Gefühl tief in Dir drin: Es muss sein. Jetzt gibt es kein zurück mehr.

Ich öffne Dir die Tür und bemerke deine Nervosität sofort. Deine Haut ist etwas bleicher als für gewöhnlich, deine Hände leicht verschwitzt. Hastig umarmtest Du mich. Deine Hände wirken fahrig, als Du deine Kleider über den Bügel legst.
„Bist Du aufgeregt, Marvin?“, frage ich Dich mit einem herausfordernden Lächeln. Ich merke bereits jetzt, wie mich deine Aufregung kickt. Deine nervöse Aura scheint mich regelrecht zu energetisieren, ich spüre einen Hauch von Schmetterlingen unter meiner Bauchdecke.

Als ich Dich abholen komme, bist Du ganz still. Du wirkst etwas kleiner als sonst. Nackt und verletzlich stehst Du vor mir. Vorher bist Du mir nie speziell ins Auge gefallen, aber heute finde ich Dich auf eine ganz eigenwillige Art und Weise attraktiv. Dein Anblick berührt und erregt mich zugleich.
Ich lege Dir das Halsband um. Dabei komme ich Dir ganz nah und presse meinen Körper dicht an deine nackte Haut. Meine Nippel werden ein klein wenig härter, als sie mit deinem Körper in Kontakt kommen.
Dieses Ritual kennst Du schon. Ich hatte es gleich bei unserer ersten Begegnung etabliert.
Mit dem Anlegen des Halsbandes sehe ich dich noch tiefer in unsere gemeinsame Welt einsinken. Nun wirkst Du noch hingebungsvoller, noch devoter und noch bereiter alles zu erdulden, was ich jemals von Dir verlangen könnte.

Wir betreten den herrschaftlichen Saal. Es ist alles ganz still. Ein Heer von Kerzen flackert und taucht den Raum in ein magisches Zwielicht. Du bist Dir nicht mehr ganz sicher, ob dies hier bloß ein weiterer Ort in den verwinkelten Sphären deiner Phantasie ist oder ob all dies gerade wirklich passiert. Wie im Rausch zieht die Szenerie an Dir vorbei.
Mit ruhiger Gelassenheit schnalle ich Dich auf dem Sarkophag fest. Du hörst das Knarzen der Ledergurte wie aus weiter Ferne. Ich greife ich zu einem roten Seil und mit einem eleganten Tanz nehme ich Dir Stück für Stück den letzten Rest deiner Bewegungsmöglichkeiten. Streng fixiert liegst Du vor mir. Mir ist bewusst, dass Du schon lange nicht mehr in der mentalen Verfassung bist, um Widerstand zu leisten. Ich genieße ich, wie Du ausgeliefert und reglos vor mir liegst. Ich stehe vor dir wie eine schwarze Witwe, die bereit ist, ihr Opfer auszusaugen und seine leblosen Reste zurückzulassen.

Plötzlich taucht deine Welt in eine tiefe, satte Schwärze. Ich lege Dir die Augenbinde an und stelle sorgfältig sicher, dass sie dein Sichtfeld zur Gänze bedeckt.
Dann spürst Du etwas weiches, undefinierbares in deinen Mund eindringen. Mehr davon. Und mehr und mehr. Ich verschließe deinen Mund mit einer gut positionierte Schichte Tape. Du wolltest noch etwas sagen, vielleicht schreien. Zwecklos. Deine Mundhöhle ist nun randlos befüllt und nach allen Regeln der Kunst versiegelt.
Zusätzlich spürst Du einen unmittelbaren Druck auf deinen Ohren. Etwas wird dir übergestülpt. Und dann versinkt deine Welt in dumpfer Taubheit. Selbst das gleichförmige Klacken der Absätze meiner schwarzen Lederstiefel ist nur noch ein kaum hörbarer, bedrückender Gleichklang in weiter Ferne.

Du liegst. Atmest wie es Dir in der Position eben möglich ist. Für Minuten. Stunden? Zeit und Raum haben keine Bedeutung mehr an dem Ort, an welchem Du dich gerade befindest. Hier ist nur noch Stille, tiefe Ruhe und eine eigenartige Form von Friedlichkeit. Dein Leben rückt in weite Ferne und alles, worüber du dich noch die Tage zuvor sorgtest, versinkt in tiefer, dunkler Bedeutungslosigkeit. Gerade gibt es nur noch deinen bewegungslosen Körper, deinen eingeschränkten Atem – und meine Hand, die sich sanft auf deine Brust legt.

Ich spüre wie Du eine Gänsehaut bekommst. Dein Körper reagiert ungewöhnlich stark auf mich. Der Entzug deiner Sinne macht Dich hochsensibel gegenüber meiner Berührung. Langsam, fast zärtlich und mit Genuss streiche ich Dir über deinen Bauch, deine Beine, deinen Schwanz. Obwohl dein Körper nur über sehr geringe Bewegungsfreiheit verfügt, spüre ich wie Du dich vor Erregung zu winden beginnst. Du wirst hart. Ich entscheide: Du bist nun soweit.

Bevor ich beginne, lasse ich die besondere Energie des Moments einen Augenblick lang auf mich wirken. Erste Male tendieren dazu etwas Heiliges an sich zu haben. Ich fühle mich geehrt, dass ich die erste Person sein darf, die Dir auf diese Art und Weise unter die Haut geht.

Mit achtsamer Bedächtigkeit streife ich mir die Handschuhe über. Dann folgt die Desinfektion. Erst meine Hände, dann Du. Den Geruchssinn habe ich Dir ganz bewusst gelassen und so steigt der beißende Geruch der Desinfektion langsam in deine Nase.
Plötzlich ist alles wieder da. Unserer Absprache, dein Fetisch, den Du ausleben wolltest, das Studio, in dem wir uns befinden. Schlagartig wird dir klar: Es ist soweit. Gleich wird es passieren. Und es gibt kein Zurück.

Ich entscheide mich, zunächst noch ein bisschen mit Dir spielen. Dich zappeln zu lassen, wie das Insekt, das sich im Netz der schwarzen Witwe verfangen hat und nun ängstlich darauf wartet, von der imposanten Spinne ausgesaugt zu werden.
Ich fahre mit der Kanüle sanft über deine Haut. Du kannst das spitze Metall deutlich spüren, jedoch bleibt deine Haut zunächst unversehrt. Ich nehme wahr, wie sich deine Muskeln anspannen. Du versuchst Dich aufzubäumen, wirst aber von den Fixierungen zurückgehalten. Du beginnst zu schwitzen und ich berausche mich am Duft deiner Angst.

Dann – der erste Stich. Ich beginne mit einer sehr feinen Nadel. 0,4x40mm sagt die Verpackung.
Langsam öffnet die Spitze der Kanüle deine Haut und gleitet langsam in Dich hinein. Du bist irgendwo zwischen Panik und Erregung. Die Vorstellung, dass dir gerade ein spitzer Gegenstand unter die Haut gleitet, fickt deinen Kopf. Du willst es. Du willst es nicht. Du bist gefangen in diesem unauflösbaren inneren Konflikt, während ich Dir schon die zweite Nadel unter die Haut setze. Zunächst in den linken Arm, dann in den rechten. Aber wir hatten auch über andere Stellen gesprochen….
Blind, taub, stumm und fixiert, hast du völlig die Kontrolle über das Geschehen verloren. Du hast keine Ahnung, wo ich mich befinde, wo sich die nächste Nadel befindet, wo ich zustechen werde. Alles an Dir ist meinem Willen unterworfen.

Ich setze dir weitere Nadeln unter die Haut. Dabei gerate ich in einen rhythmischen Flow und werde ganz eins mit dem Moment. Dein Körper ist meine Leinwand und ich erschaffe ein blutrünstiges Kunstwerk, das nur wir beide in diesem Moment miteinander teilen. Dünne Nadeln, dicke Nadeln. Lange, kurze. Rot, grün, blau, dunkelgrau. Meine Kunst ist bunt, chaotisch und begleitet von zahllosen Tropfen Blut.

Langsam gibst Du dich mir hin, dein Kopf lässt alles los. Du lässt Dich vollständig in den kontinuierlichen, stechenden Schmerz und die Vorstellung der unter deine Haut gleitenden Nadeln fallen. Was Du erlebst ist vergleichbar mit einer Art kathartischer Meditation. Eine Reinigung von Körper und Geist. Das, was Menschen widerfährt, die in ihrem Leben über eine bedeutungsvolle Grenze gehen. Du fühlst Dich ganz in Verbindung mit Dir selbst und dem Moment.

Andächtig stehe ich vor Dir und betrachte das Kunstwerk. Du gefällst mir, so über und über bedeckt mit Nadeln und den sich langsam verfärbenden Nuancen deines Blutes. Die Nadeln stecken Dir nun in den Armen, den Beinen, deinem Bauch und der Brust. Ich habe nicht mitgezählt, aber mittlerweile sind es sicherlich schon mehrere Dutzend. Aber eine Stelle fehlt noch.

Betont langsam lege ich meine Hand um deinen Schwanz. Eine Weile stehe ich nur so da und halte ihn. Ich spüre, wie er wächst und sich in meiner Hand ausdehnt. Dann nehme ich eine lange Nadeln und fokussiere einen konkreten Punkt auf deinem Frenulum. Zärtlich führe ich die Nadel durch deine Haut, dein Gewebe bis hinaus auf die andere Seite und dann noch ein Stückchen weiter.

Dein Körper erstarrt wie im Schock. Würdest Du jetzt schreien, käme deine Stimme als dumpfer Laut aus deinem versiegelten Mund. Du willst schreien, doch es bleibt ganz still.
Du hast es geschafft. Ich nehme drei tiefe Atemzüge. Dann nehme ich dir die Augenbinde ab. Für einen Moment schauen wir einander tief in die Augen. Es gibt wieder Licht am Ende des Tunnels.

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